Dolchstoßlegende

Dolchstoßlegende
Dọlch|stoß|le|gen|de 〈f. 19
I 〈unz.〉 nach 1918 verbreitete Ansicht, der 1. Weltkrieg sei nicht durch die Niederlage des Heeres od. die wirtschaftl. Unterlegenheit Deutschlands, sondern durch Verrat der Heimat (Dolchstoß von hinten) verloren worden
II 〈zählb.〉 jegliche Behauptung, die einen Misserfolg auf einen angeblichen Hinterhalt, Verrat zurückzuführen versucht
Siehe auch Info-Eintrag: Dolchstoßlegende - info!

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Dọlch|stoß|le|gen|de, die:
1. [lügenhafte] Behauptung, nach der ein hinterhältiger, heimtückischer Anschlag o. Ä. [aus den eigenen Reihen] für eine Niederlage od. für ein Misslingen verantwortlich sein soll.
2. (Geschichte) Behauptung, Deutschland habe den Ersten Weltkrieg nicht militärisch-wirtschaftlich, sondern durch Defätismus u. Verrat in der Heimat verloren.

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I
Dolchstoßlegende
 
Die militärische Niederlage, die die Oberste Heeresleitung am 2. Oktober 1918 öffentlich vor den Parteiführern eingestand, wirkte auf die deutsche Bevölkerung wie ein furchtbarer Schock. Nach all den Siegesmeldungen, selbst noch aus den letzten Monaten, wollte man die Niederlage nicht zur Kenntnis nehmen. Schon bei der Begrüßung heimkehrender Fronttruppen in der Heimat tauchte das Wort »im Felde unbesiegt« auf. Bald schon erschien das Wort »Dolchstoß« in der Rechtspresse, wurde die Revolution für die Niederlage verantwortlich gemacht. Die Dolchstoßlegende war geboren. Die Heimat sei der kämpfenden Front in den Rücken gefallen. Hindenburg untermauerte diese Deutung des Zusammenbruchs, indem er am 18. November 1919 vor dem Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung sich auf die Aussage eines britischen Generals berief und erklärte, die deutsche Armee sei von hinten erdolcht worden. Das unverändert große Ansehen, das der ehemalige Feldmarschall noch immer im deutschen Volk genoss, sorgte dafür, dass die Dolchstoßlegende - obwohl sachlich völlig unhaltbar - rasch eine außerordentlich große Verbreitung erfuhr und eine entsprechende Wirkung erzielte. Sie ist ständig von der politischen Rechten als Waffe im innenpolitischen Kampf gegen die Weimarer Parteien verwandt worden. Sie wurde schließlich in der Propaganda der Nationalsozialisten zum tödlichen Dolchstoß gegen die erste deutsche Republik.
II
Dolchstoßlegende,
 
die nach dem Ersten Weltkrieg verbreitete These, dass Teile der deutschen Heimatbevölkerung, besonders aber Gruppen der sozialistischen Linken oder sogar die ganze Sozialdemokratie, durch ihre revolutionäre Tätigkeit das »im Felde unbesiegte« deutsche Frontheer »von hinten erdolcht« und dadurch den Zusammenbruch Deutschlands verschuldet hätten. Mit dem Aufgreifen dieser These, die durch Untersuchungen (Dolchstoßprozess, 1925; Untersuchungsausschuss) entkräftet wurde, suchte sich die ehemalige militärische Führungsspitze (u. a. Generalfeldmarschall P. von Hindenburg und General E. Ludendorff) der Einsicht zu verschließen, dass die Ursachen der deutschen Niederlage in der machtpolitischen und militärischen Situation des Deutschen Reiches im Herbst 1918 lagen. Die Dolchstoßlegende knüpft eine sachlich unzutreffende Verbindung zwischen der militärischen Niederlage und den revolutionären Bestrebungen in Deutschland bei Kriegsende; sie entwickelte sich zu einer Kampfparole der politischen Rechten gegen die Linke. Die Nationalsozialisten gebrauchten sie gegen die Weimarer Republik und ihre Regierungen. In der zeitgeschichtlichen Forschung gilt die Dolchstoßlegende als widerlegt.
 
 
Die Ursachen des dt. Zusammenbruches im Jahre 1918, hg. v. A. Philipp, 4. Reihe, 12 Bde. (1-31925-29);
 
Dolchstoß-Prozeß in München (1925);
 
Gesch. u. Gegenwartsbewußtsein, hg. v. W. Besson u. F. Freiherr Hiller von Gaertringen (1963).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Weltkrieg, Erster: Die politische Dimension des Krieges
 

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Dọlch|stoß|le|gen|de, die: 1. [lügenhafte] Behauptung, nach der ein hinterhältiger, heimtückischer Anschlag o. Ä. [aus den eigenen Reihen] für eine Niederlage od. für ein Misslingen verantwortlich sein soll. 2. Behauptung, Deutschland habe den Ersten Weltkrieg nicht militärisch-wirtschaftlich, sondern durch Defätismus u. Verrat in der Heimat verloren.

Universal-Lexikon. 2012.

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